http://www.gast.at/ireds-105088.html24.06.2010
Die Schonfrist läuft ab
In wenigen Tagen endet die Übergangsfrist des Tabakgesetzes – Beratertag der Kammer bei Wirten heiß begehrt – Hinterleitner: „Wollen ein Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern“
Wer über 50 Quadratmeter Lokalfläche besitzt und über keinen abgetrennten Raucherbereich verfügt, bei dem gehen ab 1. Juli endgültig die Glimmstängel aus
GASTWIRTE, DAS WÄRE WAS FÜR EUCH, STATT ZU JAMMERN: * „Innovation – der Schlüssel zum Erfolg“ (28.06.2010)
Kommende Woche ist es vorbei mit der Schonfrist: Die Übergangsfrist des Tabakgesetzes endet mit 1. Juli, und in allen Lokalen mit über 50 Quadratmetern Fläche darf das Rauchen dann nur noch in abgetrennten Räumen erlaubt werden. Viele Wirte haben bis dahin noch viel zu tun und einige Stolpersteine zu überwinden, wie ein Besuch bei einem Beratertag der Wiener Wirtschaftskammer zeigte. Bis zu 100 Gastronomen suchten Rat, das Fazit fiel durchwachsen aus. „Es gibt schon auch Problemfälle, wo man sagen muss: ‚Den vernünftigen Ausweg gibt es nicht‘“, meinte Walter Freundsberger, Geschäftsführer der Gastronomie-Fachgruppe in der Wiener Wirtschaftskammer.
Manche Wirte hatten nur kurze Fragen und waren nach zwei Minuten wieder weg, mit anderen diskutierten die Fachmänner – Juristen, Wirtschafter und Techniker – eine halbe Stunde, ohne zu einer Lösung zu kommen. Die Wirte reagieren bei der Veranstaltung mit Resignation, teilweise auch mit Wut: „Vom Fleck weg hätte ein generelles Rauchverbot gehört, damit es gerecht wäre“, herrscht einer von ihnen die Berater an. Mit stoischer Ruhe wiederholen diese gebetsmühlenartig die wichtigsten Grundregeln: „Eine Tür muss sein, in Fluchtrichtung aufschlagend“ oder „Wenn Sie mehr als zweimal zum selben Delikt bestraft werden, dann kann man ihnen die Gewerbeberechtigung entziehen“.
Fragliche Rentabilität
In einigen Fällen würde die Einrichtung eines „Raucherkammerls“ enorme Behördenwege mit sich bringen und Hunderttausende Euro kosten, fasste Freundsberger die verzwickte Situation zusammen. Ein Umbau sei nicht immer einfach, so dürfe beispielsweise eine Glaswand nicht irgendwo eingezogen werden: Trennt sie die Schank von den Fenstern ab, legt die Behörde wegen der Arbeitsstättenverordnung ein Veto ein. Die Vorschrift regelt die Sichtverbindung ins Freie und besagt laut Freundsberger, dass vom Arbeitsplatz des Gastronomiepersonals nur durch eine Glasfront nach draußen geblickt werden darf. Lösungen sind prinzipiell möglich Oberlichten können eingebaut, die Schank versetzt oder die Bar zum Selbstbedienungsareal erklärt werden.
Ob solche Maßnahmen im Einzelfall sinnvoll und rentabel sind, ist aber fraglich, meinen die Berater.Schwierig wird es auch, wenn die Belüftung wegen einer Raumtrennung umgebaut werden muss. Damit steht dem Wirt ein qualifiziertes Genehmigungsverfahren mit vielen Amtswegen, einer Dauer von bis zu vier Monaten und ungewissem Ausgang ins Haus. Alle betroffenen Behördenvertreter müssen gleichzeitig zu einem Lokalaugenschein in den Betrieb zusammentreffen. Auch die Anrainer, denen der Wirt nicht selten ein Dorn im Auge ist, müssen eingeladen werden und diskutieren mit.
Billardtisch als Verabreichungsplatz?
Hinzu kommt, dass manche Fragen auch die Experten nicht mit hundertprozentiger Sicherheit beantworten können, zum Beispiel wenn es darum geht, dass der Großteil der Verabreichungsplätze für Speisen und Getränke rauchfrei sein muss. „Weil es noch nicht ausjudiziert ist“, betonte Berater Andreas Rath bei der Veranstaltung der Wiener Wirtschaftskammer. „Zählt ein Billardtisch als Verabreichungsplatz, wenn ja, für wie viele Personen? Wir können dazu nur ‚Ja‘ sagen, weil die Gastronomen dann auf der sicheren Seite sind“, fügte er hinzu. Einfacher fällt die Beurteilung der Platzfrage an der Bar: Ein Meter Länge bedeutet einen „Lümmelplatz“.
„Bogen nicht überspannen“
Andere Betriebe müssen nicht einmal umbauen, sondern nur umstellen: Wenn man in einem Raum Sessel und Tische entfernt bzw. ergänzt, kann der Anspruch auf einen rauchfreien Hauptraum in einigen Fällen gänzlich ohne Behördengänge erfüllt werden, weiß Freundsberger. „Man muss nur wissen, wo der Bogen überspannt ist.“ In einem riesigen Zimmer nur drei Tische zu platzieren und das kleine Nebenkammerl mit Sesseln vollzustopfen, kommt einer Umgehung der Rechtsvorschrift gleich und bringt Strafen mit sich. Das Entscheidungskriterium: Die Sitzordnung muss Sinn machen.
Gute Nachrichten hat Unternehmensberater Peter Weißenlechner parat: Richtig angelegt muss die Einführung eines Rauchverbots seiner Meinung nach keine Nachteile mit sich bringen.
Wichtig ist eine gezielte Einführung der Regelung und eine Neupositionierung am Markt, so der Chef der Firma „comfit-consult“, die sich auf das Tabakgesetz spezialisiert hat. Themen wie Familien, gesunde Ernährung und Qualität beim Essen sollten mittels gezieltem Marketing in den Mittelpunkt gestellt werden. So erhält ein Lokal ein neues Gesicht und kann bisher ungenutzte Zielgruppen erschließen, ist Weißenlechner überzeugt.
„Österreichische Regelung erhalten“
Eine dieser Tage veröffentlichte Umfrage des Fachverbandes Gastronomie unter seinen Mitgliedern hat übrigens ergeben, dass überhaupt nur ein Sechstel aller heimischen Gastronomiebetriebe in die Kategorie fällt, bei der sich die Frage nach einer Raumtrennung stellt (ca. 11.000 von 70.000). Von diesen 11.000 haben 64,08 % der Betriebe (in absoluten Zahlen somit rund 7.050) die Übergangsfrist in Anspruch genommen. 28,68 % führen bereits ein Nichtraucherlokal (somit ca. 3.150). Die restlichen 7,24 % fallen in die Kategorie zwischen 50 und 80 m² und haben nachweisen können, dass eine Raumteilung aus Gründen des Denkmalschutzes usw. nicht möglich war. Sie können demnach ein Raucherlokal führen.
„Ich denke, dass unsere Mitglieder die Notwendigkeit erkannt haben, das geltende Gesetz einzuhalten und auch die richtige Kennzeichnung der Räume durchzuführen. Man muss jetzt schließlich mit verstärkten Kontrollen der Behörden rechnen“, ist Fachverbandsobmann Helmut Hinterleitner überzeugt. Bei einigen Lokalen gäbe es zwar auch jetzt noch Handlungsbedarf, er weiß aber auch von Betrieben, die noch in den letzten Tagen der Übergangsfrist mit dem Umbau fertig werden, bzw. das Lokal ab 1. Juli als Nichtraucherbetrieb führen wollen und erst im Herbst umbauen wollen, was ebenfalls gesetzeskonform wäre.
Hinterleitner: „Es geht uns auch um das Erhalten dieser österreichischen Regelung, weil wir feststellen können, dass in anderen europäischen Ländern inzwischen wieder über eine Liberalisierung des Tabakgesetzes nachgedacht wird. Wir sehen das Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern als Vorzeigemodell.“
Kein EU-weites Rauchverbot geplant
Die EU-Kommission plant jedenfalls nach den Worten des deutschen EU-Abgeordneten Bernd Posselt „kein totales EU-weites Rauchverbot in Gaststätten“. Die Brüsseler Behörde werde lediglich Bemühungen auf nationaler Ebene unterstützen, habe EU-Gesundheitskommissar John Dalli gegenüber Posselt erklärt. Der CSU-Abgeordnete sieht darin eine „erfreuliche erste Abkehr des Gesundheitskommissars von der zentralistischen Menschheitsbeglückungspolitik seiner Vorgänger“.
Posselt erklärte jüngst in Brüssel, ein totales Rauchverbot in Gaststätten würde der Vernunft und dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen. Die Kommission solle die mühsam ausgehandelten Kompromisse respektieren, wie sie derzeit in vielen Ländern der EU funktionierten. clemens kriegelstein